20110619

Ein nie angekommener Brief

Es lag immernoch alles genauso da, wie es war. Es sieht noch so alleine und leer aus, so hatte ich es verlassen. Und ich sollte nicht hier sein, ich hätte nicht mal gehen dürfen. Vielleicht habe ich hier meine größten Fehler begangen, ich fühle mich unwohl. Es ist das Haus, es war noch leer, als wir es fanden. Wahrscheinlich hat man es vergessen. Uns war klar, wir könnten das hier und jetzt nicht vergessen. Für uns war es eine Art Zuflucht, Schutz vor dem, was uns nicht gut tut.
Schon lange war ich nicht mehr an diesem Ort, letztes mal, vielleicht vor vier oder fünf Monaten, ich war nicht alleine. Du warst bei mir und alles war okay. Könnte dieses Haus all unsere Gefühle wiedergeben, die wir hier entwickelten, es wäre kaum auszuhalten. Wir konnten hier traurig sein, lachen, verrückt sein, ab und zu auch mal still, wir waren vorallem okay. Das Haus war eingerichtet, ganz nach unserer Vorstellung, es war wie eine Fantasie, so schön, schien so perfekt. Ich war nie ein Mann der großen Worte, meine Gefühle zu dir hätte ich nie von meinen Lippen bekommen. Schrieb einen Brief, brauchte einen Monat, jeden Tag besserte ich irgendetwas aus. Es war Winter geworden, ich lief zu unserem Ort. Trug den Mantel, den , den du so mochtest. Hatte ihn im Hochsommer an, als wir an dem nahegelegenen Fluss waren, hatte dich gejagt, wie der Bär einen Fisch. Ohne dich hätte ich nie gelernt, wie wichtig es ist, auch mal Kind zu sein, egal wie alt man ist. Die Welt war nun weiß, eingehüllt vom schimmernden Schnee. Den Brief in der Hand, eine Blume in der Anderen. Stampfte durch den Schnee, er wurde immer höher. Sah das Haus schon und auch Fußspuren, sie waren von dir. 'Ich habe sie warten lassen, das tut mir leid' dachte ich mir und rannte durch den hohen Schnee. Öffnete die Tür, konnte kaum deine Reaktion erwarten. Doch es war ungewohnt kalt in dem Haus, auch auf meine Rufe reagierte niemand außer der Hall. Auf dem Tisch im Flur brannte ein Teelicht, du warst vor Kurzem hier. Dort lag auch ein Brief, dachte mir nichts schlimmes, vielleicht wolltest du mir nur sagen, dass du eben noch weg bist. Ich nahm den Brief und begann ihn zu lesen.
 'Lieber _____ , ich bin keine Frau der großen Worte, ich hätte es nie über die Lippen gebracht. Es bricht mir das Herz dir sagen zu müssen, dass ich, während du diese Zeilen hier liest, auf dem Weg nach Seattle bin, du weißt doch, es war immer mein großer Traum. Ich habe dort eine gute Arbeitsstelle gefunden, ich hätte 'uns' nie freiwillig zurückgelassen. Ohne dich hätte ich nie gewusst, wie es ist, glücklich zu sein. Und ich liebe dich, das sollst du wissen, genau in diesem Moment. Ich habe einen Monat gebraucht, um das Papier nicht mehr mit meinen Tränen zu durchnässen! Du wirst mir fehlen, alles an dir. Ich denke, ich werde durchdrehen, aber glaube mir, ich habe nicht freiwillig losgelassen. Ich werde dich besuchen kommen, denke ich, wenn ich Zeit dazu finde, ich werde viel zu tun haben. Bitte verzeih mir, bitte hass' mich nicht. Du darfst wütend sein und verletzt, Ich würde dir sogar erlauben, mich in den Schwitzkasten zu nehmen, was ich früher nie gewollt habe, ich sagte immer 'Sowas kannst du mit deinen Kumpels machen, nicht mit mir' . Du hast mich immer nur frech angegrinst, erinnerst du dich?. Mach, wonach dir ist, aber bitte hass' mich nicht. ''
 'Das Papier wird jetzt so oder so nass' murmelte ich in die Stille hinein, während mir Tränen über meine Wangen rollten. 'Du brauchst mir nichts von Erinnerungen erzählen, ich erinnere mich an alles und genau deswegen, hätte ich dich hier nie verlassen' . Ich nahm das Teelicht, den durchnässten und den noch trockenen Brief und die Blume, ging hinaus und hielt alles in die kleine Flamme. Ich weiß nicht, was ich mir dadurch erhoffte, vielleicht Erlösung, vielleicht würde Gott merken, wie sehr ich leide und du würdest zurückkommen. Ich war nicht überrascht, dass es Feuer fing, obwohl es so kalt war.  Sah zu, wie sich das Papier zusammenzog und die Farbe änderte. Ich lies sie fallen, all diese Dinge. Das Feuer erlischte sofort im kalten Schnee. Lies mich ebenfalls fallen, auf die Knie, weinte bitterlich. 
Nein, dich vergess' ich sicher nicht und loslassen tue ich dich erst recht nicht. Du wirst für mich immer die kleine Spinnerin bleiben, die du früher für mich warst. Ich hasse dich nicht, ich hoffe es geht dir gut. Du hast dich nach all den Jahren nicht gemeldet, aber es ist okay, du hast ein neues Leben angefangen. Ich hoffe, dass du erfolgreich bist, dass du dir deinen Traum erfüllen konntest. Wenn du irgendwann mal Zeit findest, ich warte auf dich und du weißt wo. Da, wo wir uns all die anderen Träume erfüllt haben, da, wo du gelernt hattest glücklich zu sein und ich, wie wichtig es ist, auch mal Kind zu sein, egal was ist. Ich bereue nichts.


Mal ein 'etwas' längerer Text, fast eine Geschichte. Hoffe, er hat auch gefallen. Kritik und sowas ist erwünscht, wisst ihr ja, über Kommentare würde ich mich freuen. Ach, und, bevor ichs vergesse, wollt ihr mehr, von solchen 'Geschichten' ? Also, ab und zu, würde ich nur so langes Zeugs posten, wärs ja langweilig (: . Ja? Nein?  Danke euch mittlerweile 135 Lesern, ich hätte nie gedacht, dass ich so Viele bekommen würde.