20110809

Mich können sie brechen, mich, meine Person, aber meinen Willen nicht


Ich sitze da, alleine. Alleine in diesem kleinen,dunklen und schäbigen Raum. Nach England gebracht, 'it's for your best' sagten sie. Eher verfrachtet, wie eine Kiste. Und so fühle ich mich. Leicht zerbrechlich, innen leer, willenlos. Nach dem Tod meiner Eltern ging es für mich nur noch bergab. Ab da fing ich an, die Kiste zu sein, die man überall hinschiebt und um die sich niemand kümmert. Und sie haben Recht, was ist an mir so besonders? Es gibt genug andere Kisten. Von einem Waisenhaus zum anderen gesteckt, bis mich keins mehr nehmen wollte. Bekam Spitznamen, wie 'Das Waisenhausproblem' oder einfach nur schlicht und einfach 'Das ungewollte Etwas'. Wobei ich sagen muss, dass mich sowas kalt lässt. Das ist unoriginell. Die unendlichen Besuche bei aber millionen Psychatern fande ich um vieles schlimmer. Von da an war ich dann auch noch für verrückt und gestört erklärt worden. Und es sprach sich rum, wie ein Lauffeuer, denn ich lebte in einem kleinen Dorf, in dem die Leute so verbittert und widerlich sind, dass sie ihre Stärke aus den Problemen anderer nahmen. Ich war immer gut in der Schule, gut zu anderen, ich mochte mich und mein Leben. Und man wandte sich ohne Bedenken von mir ab, lies mich stehen. Ich wünschte ich hätte mir mein Leben hier nie aufgebaut, wäre hier nie glücklich und zufrieden gewesen, so werde ich mich immer daran erinnern müssen. Mein Onkel und meine Tante, ich war ihnen scheiß egal, sie haben mir zu keinem Geburtstag gratuliert, sie wussten ja nicht einmal, wann ich Geburtstag habe. Ein mal, da habe ich eine Karte bekommen. Das war irgendwann im Januar, geboren wurde ich im Juli. Darin stand 'Sweet 14, Happy Birthday'. Ganz lieb und so, nur wurde ich nicht 14, sondern 16. Und weil mich kein Waisenhaus mehr nehmen möchte und die Psychater meinen Fall für 'abgeschlossen' erklärt haben, muss ich zu den Beiden. 'Abgeschlossen', das Wort fliegt mir seit Abflug im Kopf rum. Ich habe nie abgeschlossen, der Fall ist nicht abgeschlossen, man sollte ihn einfach vergessen. Man wollte mich vergessen.
Als meine Tante und mein Onkel davon erfahren haben, dass meine Eltern gestorben wären, spielten sie fürsorglich. Es ging ihnen nie um mich, sondern um das Erbe. Und sie können es haben, sie können alles haben. Ich will nur mein Leben zurück, mein Lachen, mein Herz. Ich habe es verloren, man hat es sich genommen oder vielleicht hat es mit mir 'abgeschlossen'. Zurück blieb der Trümmerhaufen, in dem ich sitze. Aus dem ich versuche zu fliehen, zu entkommen, aber ich kann nicht.
Ich erinnere mich noch an den ersten Tag, an dem man mir zeigte, wo ich leben werde. Mit wem wusste ich ja schon. Und ich werde es nie mein 'Zuhause'  nennen, ich werde hier niemals daheim sein. Das ist meine persöhnliche Hölle und um es den beiden kalten,widerlichen Menschen, von denen ich wünschte, nie mit ihnen verwandt zu sein, Recht zu machen, nenne ich es 'My personal Hell'. Sie merkten, dass ich sie hasse und das ist auch gut so. Sie sollen nicht glauben, ich würde sie als meine Retter ansehen, als würde ich sie Familie nennen. Seitdem ich mein Zimmer gesehen habe, halte ich mich eigentlich nur noch dort auf. Es ähnelt ein bisschen meinem Alten und damit meine ich nicht die Waisenhauszimmer. Bilder von früher, Erinnerungen, sie haben mir alles weggenommen. Sie sagten 'You have to leave the past behind you, memories are just curses. You don't need them.'' Wenn sie wissen wollen, was ein wahrer 'curse' ist, dann sollten sie sich mal anschauen.
Ich sagte zu dem nichts, ich sage allgemein wenig.
Die Tür ist abgeschlossen, also kommen diese beiden Teufel nicht rein. Sie klopft an der Tür, rüttelt wie wild. ''Open up the door, otherwise you'll go hungry to bed!'', schrie die alte Hexe immer wieder. Ich hatte schon Angst, dass sie mir mit der Tür ins Zimmer fällt, bei ihrem Gewicht wäre das kein großes Kunststück.
''I'd rather die, go away, go to hell!'', gab ich ihr zur Antwort. Sie lies nach, könnte die Tür reden, würde sie mir sicher danken.
Auf Nachfrage sind wir die perfekte Familie, sie beschreiben jemanden, er klingt fremd und sie geben ihm meinem Namen. Das bin ich nicht.
Ich nehme einen großen Schluck Wodka, den ich von den Monstern geklaut habe. Am anderen Ende des Zimmers steht eine Lampe auf dem Tisch, eher stand, denn sie flackerte und ich habe sie umgestoßen. Jetzt erhellt ein gedämpftes Licht das dunkle Zimmer und das ist gut so, ich will das hier nicht sehen. Der Wodka schmeckt salzig von den ganzen Tränen. Ich kann schon hören, wie sie wieder umerzählen wie okay ich bin und wie gut ich mich eingelebt habe. ''He's a good boy, he's okay. He loves us, we love him. We're so glad, that he lives with us!''
Manche Menschen haben so sanfte und schöne Lippen, kräftige Farben, sie strahlen rot, verzaubern. Und die Worte, die sie verlieren, die sind genau das Gegenteil davon. Sie sind schwarz, sie verdeben, verletzen, zerstören. Von mir ist nicht mehr viel übrig, sie haben mir alles genommen und es ist noch nicht vorbei.
Ich halte das Glas mit dem Tränen-Wodka dem Licht der Lampe entgegen und wiederholte meine Gedanken, flüsternd, schluchzend. ''Und es ist noch nicht vorbei..noch nicht..Mich mögen sie brechen, meine Person, meinen Willen werden sie nie brechen, niemals.''